Branded Interaction: Marken in Zeiten des digitalen Wandels
Der Anspruch von SCHUMACHER war schon immer, Klarheit in unsere komplexer werdende Welt zu geben. Doch das Aufkommen neuer Technologien und der Bedürfniswandel einer ganzen Generation von Nutzern stellt uns als Designer ständig vor neue Fragen und Herausforderungen. Unser Markenexperte Simon und UX-Designer Stefan haben sich dazu ein paar Gedanken gemacht.
Was versteht ihr unter dem Begriff »Branded Interaction«?
Simon: Für mich ist das die moderne Form des Corporate Identity oder Corporate Designs. Es spielt sich hauptsächlich in digitalen Welten ab. Was daran liegt, dass wir uns im Bereich der Markenkommunikation immer mehr in digitalen Welten und weniger in gedruckten bewegen. Die digitale Transformation wird dadurch schon fast manifestiert.
Stefan: Es handelt sich aber nicht nur um konkrete Produkte sondern auch um die Möglichkeiten, Marken auf ganz viele Weisen in unterschiedliche Touchpoints zu transportieren. Es geht um Methoden, die beispielsweise helfen die Marke in Voice-Interface oder in VR-Umgebung zu heben. Überall muss die Marke irgendwie funktionieren. Dafür muss sie flüssig und flexibel gestaltet sein.
Simon: Das zeigt sich in weniger starr fest gezurrten Styleguides. Man legt da nicht alles fest, sondern nutzt Räume. Es geht nicht um 100 prozentige Übereinstimmung sondern um Wiedererkennbarkeit.
Was muss eine gute Marke heute leisten?
Simon: Sie muss vor allem Verbindung aufbauen und Sichtbarkeit gewährleisten. Sie muss also permanent Thema sein. Sie darf nicht einfach so in unseren Threads verschwinden.
Stefan: Das zeigt sich schon darin wie Marken früher und heute wahrgenommen werden. Früher ging es darum eine Marke als Statussymbol zu kreieren, sie auch als Luxusobjekt zu betrachten. Während sie heute viel mehr einen Lifestyle beschreiben und eine grundsätzliche Einstellung widerspiegeln. Vergleich mal eine alte Waschmittelmarke mit Airbnb heute – das sind komplett andere Sphären. Diese ganzen Highend-Marken aus dem Silicon Valley eröffnen ein ganzes Universum, indem wir uns bewegen können. Damals standen Marken eher nur für einen Wert.
Simon: Da bin ich mir gar nicht so sicher. Die Werte waren auch damals wichtig nur die Regeln haben viel länger Bestand gehabt. Heute musst du beweglich bleiben und dich immer wieder umschauen, verändern und anpassen. Und nicht einfach davon ausgehen, dass das was du definierst, morgen noch gilt.
Und wie sind Marken dieser ständigen Entwicklung gewachsen?
Stefan: Wir haben letztens zusammen das Seminar von Think Moto zu Branded Interaction besucht, da sprachen sie von »Living Brands«. Marken müssen heutzutage lebendig und bedürfnisorientiert sein. Sie müssen Bedeutung haben, sie brauchen ein Verhalten. Müssen multisensorisch sein, kohärent, moderiert, agil und im besten Fall Netzwerke bilden.
Simon: Ich finde auch, dass das eine gewisse Entwicklung der Gesellschaft spiegelt. Zumindest in der Gesellschaft, in der wir leben. Nachhaltiges, bewusstes Leben und Konsumverhalten spielen plötzlich eine viel wichtigere Rolle. Das hat also auch alles mit dem Zeitgeist und dem Wissen der Gesellschaft zu tun.
Vor welche Herausforderung stellt das die Teams, die mit diesen Marken arbeiten?
Stefan: Es darf alles nicht eindimensional gedacht sein. Es muss auf viele Weisen funktionieren und die Kernwerte transportieren. Bei Voice-Interface zum Beispiel spielen Farben und Logos keine Rolle mehr. Es muss also auf andere Weise die Charakteristik der Marke abgebildet werden. Du musst überlegen, wie der Nutzer kommuniziert, wie er Sätze bildet, wie du auf Fragen reagierst. In vielen Bereichen existieren einfach noch keine festgeschriebenen Regeln. Im Voice- und VR-Bereich gibt es zum Beispiel häufig noch gar keine Pattern.
Simon: Genau, da sind die Dinge häufig noch unklar. Das heißt ständige Exploration ist total wichtig. Was auch noch relevant ist, ist der Kommunikationsaufwand der durch interdisziplinäres Arbeiten getrieben werden muss. Wenn du alle Fäden zusammenhalten willst, dann muss echt viel gesprochen werden. Die Basis die man da schafft, muss transparent für alle zugänglich sein. Das setzt auch eine viel größere Transparenz zwischen den Teams und ihrer Arbeit voraus. Raus aus dem eigenen kleinen Kämmerchen!
Was bedeutet dieser Shift insbesondere für uns Designer? Werden wir deswegen immer mehr zu Mentoren und Beratern von Marken?
Simon: Da muss man natürlich noch mal innerhalb der unterschiedlichen Designdisziplinen unterscheiden. Es muss aber Designer geben, die strategischer an die Sache rangehen. Sie ergründen die Seele, den Verstand, das Herz des Unternehmens. Gerade wenn es um Neugründung geht, fehlt diese Basis noch vollständig. Aber auch ein großer Konzern muss seine bestehende Corporate Identity immer wieder nachjustieren. Da kommen wir dann ins Spiel.
Stefan: Ich glaube es entstehen auch an vielen Stellen neue Disziplinen im Design, weil es so viele neue Teilbereiche gibt. Ein Designer kann nicht der Experte für Voice-Interfaces und gleichzeitig für Print sein. Es gibt immer mehr Sparten und das erfordert Spezialisierung. Gleichzeitig muss es auch Leute geben, die das Ganze zusammenhalten und einen Blick darauf haben, dass die jeweiligen Disziplinen alle an einem Strang ziehen.
Was heißt das für unsere Arbeit als Agentur?
Stefan: Die größte Erkenntnis, die ich aus dem Seminar mit Think Moto gezogen habe, war eigentlich wieder, dass man nicht am Arbeiten in Sprints vorbeikommt – gerade um große Projekte erfolgreich und effizient abschließen zu können. Man kann es also nicht zu oft sagen: Wir müssen weiterhin weg vom wasserfall-artigen hin zum agilen Arbeiten. Es kann eigentlich nur noch so funktionieren.
Simon: Letzten Endes müssen wir genauso flexibel und beweglich bleiben in allen Richtungen.
Stefan: Wichtig ist auch, dass das Verhältnis zwischen Agentur und Kunde immer partnerschaftlicher werden sollte. Wir wollen mit dem Kunden gemeinsam an seiner Vision arbeiten. Von dieser Zusammenarbeit profitieren beide Seiten.
Ihr habt es jetzt immer mal erwähnt, ihr wart ja beim »Branded Interaction« Seminar von Think Moto in Berlin. Um was ging es da? Was habt ihr da noch im Speziellen mitgenommen?
Simon: Im Prinzip basiert das Seminar auf dem gleichnamigen Buch. Für mich ist das Buch sowas wie der heilige Gral der modernen Markenentwicklung. Das ist total klasse und hat mir lange Zeit gefehlt. Ich war so erleichtert, als ich das irgendwann mal entdeckt habe. Interessant an dem Seminar war aber zu sehen, das trotzdem nicht alles in Stein gemeißelt ist. Auch Think Moto und seine Macher sind ständig auf der Suche nach neuen Lösungen. Diese Erkenntnis fand ich super wichtig.
Stefan: Es ging grundsätzlich um das ganze Thema interaktive Markenerlebnisse. Da haben wir wirklich noch mal eine Menge aus oben genanntem mitnehmen können.
Habt ihr eine spannende Methode mitgebracht?
Simon: Ja, die sogenannten Marken-Archetypen haben uns sehr begeistert. Auf Basis unterschiedlicher Typen können Workshop-Teilnehmer ihrer Marke ganz einfach Persönlichkeitsmerkmale zuordnen. Das ist einfach eine super griffige Methode, um Leute schnell abzuholen. Deswegen übernehmen wir das jetzt auch dauerhaft in unseren Methodenkoffer.
Yeah! Danke euch!
Gerne!
TL;DR
Innerhalb der Markenkommunikation bewegen wir uns immer mehr in digitalen Welten, dazu kommen neue Technologien wie etwa VR- und Sprachassistenten aber auch eine neue Generation mit anderen Bedürfnissen. Weg vom bloßen Statussymbol entwickeln sich erfolgreiche Marken so gerade zu komplexen Spähren, die dem Nutzer besten Service versprechen.
Wie kann das gelingen? Indem Marken und ihre Macher flexibel bleiben und ständig nachjustieren – ein Styleguide, der vor Jahrzehnten noch über viele Jahre Bestand hatte, muss heute ein lebendiges Produkt sein, das ergänzt und jederzeit auf neue Gegebenheiten reagieren kann. Branded Interaction beschreibt in diesem Kontext Wege zu finden, Marken auf ganz viele Weisen in unterschiedliche und vor allem neue Touchpoints zu transportieren. Die Regeln dazu gibt es noch nicht, wir müssen also erst mal viel Zeit in Exploration stecken.
Fotos von © Daniel Camino