Barrierefreiheit digital: Warum Perfektion nicht das Ziel, aber Fortschritt entscheidend ist

Am 28. Juni 2025 tritt das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft: Bis Mitte 2025 müssen Unternehmen ihre digitalen Angebote für alle Nutzer:innen zugänglich machen. Durch Konzentration auf die Behebung der häufigsten Zugänglichkeitsprobleme können Unternehmen einen großen Unterschied machen – und gleichzeitig die Performance der gesamten Marke stärken. Es ist an der Zeit, Barrierefreiheit als Chance zu begreifen – für eine gerechtere digitale Welt, in der jede:r uneingeschränkt teilhaben kann. Wir beraten unsere Kund:innen passend zu ihren Projekten.

Infografik zur Barrierefreiheit mit Symbolen für Einschränkungen und dem Slogan "Essential for some - Useful for all" auf Englisch und Deutsch.

Jeder Fortschritt zählt auf dem Weg Richtung Barrierefreiheit

 

»There is no such thing as “perfect accessibility” or a site being “100% accessible”.«

The Accessibility Project, a11yproject.com

95.9% der meistbesuchten Websites weltweit weisen Barrieren nach dem Mindestmaß des internationalen Standard zur barrierefreien Gestaltung (WCAG) auf. Absolute Barrierefreiheit ist also eine komplexe Herausforderung – wir können uns ihr annähern. Wie kann eine Annäherung schon jetzt aussehen?

Es gibt zwei Schritte: Zuerst müssen wir ein Verständnis für die digitalen Barrieren von Nutzer:innen entwickeln, um uns dann einer barrierefreien Website annähern zu können. Es geht um das Bestreben, für alle Nutzer:innen eine möglichst barrierearme Erfahrung zu schaffen – ein mehrstufiger Prozess. Für eine schnelle und signifikante Verbesserung, können wir uns zuerst auf die häufigsten digitalen Barrieren konzentrieren, denn 96.4% aller programmatisch nachweisbaren Barrieren fallen in nur 6 Kategorien (siehe Bild: Webseiten mit den häufigsten WCAG-Fehlern). Mit jedem Fortschritt in Richtung Barrierefreiheit können wir das Internet ein Stück weit inklusiver gestalten. Für das Ziel, ein »höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit« zu erreichen, können wir uns dann auf Zugänglichkeitsrichtlinien stützen, um den internationalen Standard für Barrierefreiheit im Internet (WCAG) einzuhalten. Wenn es uns auf dem gemeinsamen Weg gelingt, ein Mindestmaß an bestimmten Erfolgskriterien zu erfüllen, sind wir für die anstehende Gesetzesänderung ab Juli 2025 gut vorbereitet.

Digitale Zugänglichkeit wird Pflicht für deutsche Unternehmen

In Deutschland gab es bisher nur ein Gesetz (BITV 2.0), das öffentliche Institutionen dazu verpflichtet, den internationalen Standard der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) einzuhalten. Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das bereits im Juli 2021 den European Accessibility Act (EAA) in nationales Recht umsetzte, gibt es nun auch für die Privatwirtschaft – also alle Website-Betreiber mit mehr als 10 Beschäftigten oder mit einem Umsatz von mehr als 2 Millionen Euro – ein Gesetz zur Einhaltung der Barrierefreiheit. Frist hierfür ist der 28. Juni 2025, andernfalls drohen Vertriebsverbote, Abmahnungen und/oder Bußgelder bis zu 100.000 Euro. Was genau bedeutet digitale Barrierefreiheit und wie kann sie gewährleistet werden, um die neuen gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen?

Digitale Barrierefreiheit: Was sind digitale Barrieren und wen betreffen sie genau?

Digitale Barrieren sind nicht immer sofort erkennbar, aber sie betreffen uns alle, denn sie existieren nicht ausschließlich für bestimmte Personengruppen. Für jede:n kann ein Video ohne Untertitel in lauter Umgebung ein Hindernis sein, geringer Kontrast auf Smartphone-Displays bei Sonneneinstrahlung oder unübersichtliche Website-Strukturen, die vorübergehend überfordern und den Inhalt unverständlich machen. Einige Personengruppen sind jedoch laut des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) über dieses Maß hinaus auf eine barrierefreie Gestaltung angewiesen:

  • Menschen mit Sehbehinderungen
  • Gehörlose Menschen
  • Personen mit kognitiven Einschränkungen
  • Menschen mit motorischen Einschränkungen

»Eine Website ist dann barrierefrei, wenn sich bestimmte Einschränkungen beim Sehen, Hören, Bewegen oder beim Verarbeiten von Informationen nicht negativ darauf auswirken, wie wir das Web nutzen.«

– Aktion Mensch

Das BFSG: Was ist neu und muss geändert werden?

Das neue Gesetz erfordert, dass Websiten den Anforderungen der europäischen Norm EN 301 459 entsprechen. Diese Norm bezieht sich auf die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des W3C, mit den folgenden vier Grundzielen für ein barrierefreies Web .

  • Wahrnehmbarkeit
  • Bedienbarkeit
  • Verständlichkeit
  • Robustheit

Für jede der 13 Richtlinien werden messbare Erfolgskriterien bereitgestellt. Wenn die 50 Erfolgskriterien nach WCAG 2.1 in den Konformitätsstufen A und AA erreicht werden, kann eine Website als optimale Unterstützung der Barrierefreiheit bezeichnet werden und ist somit gut auf das BFSG vorbereitet. Zusätzlich muss eine “Erklärung zur Barrierefreiheit” bereitgestellt werden. Diese enthält Informationen darüber, wie Barrierefreiheit sichergestellt wird und welche Bereiche der Website nicht barrierefrei sind. Die Website muss auch eine Möglichkeit bieten, Barrieren zu melden.

Was sind häufige digitale Barrieren aus der Praxis?

Der WebAIM Million Report 2024 ist eine umfassende Analyse, die die Barrierefreiheit der am häufigsten besuchten Webseiten weltweit untersucht. Er gibt Aufschluss darüber, wie es um die digitale Zugänglichkeit bestellt ist und wo die häufigsten und gravierendsten Barrieren liegen.

81% der untersuchten Homepages haben zu geringe Kontraste bei durchschnittlich 34.5 Textelementen (WebAIM). Dies beeinträchtigt die Lesbarkeit, besonders für Menschen mit Sehschwäche oder Farbfehlsichtigkeit. Um den AA-Standard einzuhalten, sollten Kontrastprüfungstools verwendet werden.

Websites enthalten durchschnittlich 55,6 Bilder, was für Menschen mit Sehbehinderungen, die auf Bildschirmlesegeräte oder textbasierte Browser angewiesen sind, zu Hindernissen führen kann. Daher sind beschreibende Alternativtexte für Bilder unerlässlich. Bei der Untersuchung durch WebAIM hatte allerdings ungefähr ein Drittel aller Bilder keinen, einen fragwürdigen oder sich wiederholenden Alternativtext.

Eine klare Website-Struktur ist wichtig für eine einfache Navigation. Dies betrifft sowohl das visuelle Erscheinungsbild als auch die Programmierung, vor allem für die Bedienung mit Screenreadern. Bei der Untersuchung durch WebAIM konnten häufige Fehler im klaren Aufbau der Seite gefunden werden. Überschriftenebenen werden übersprungen (37,9 %) oder bestimmte Seitenbereiche nicht als solche (ARIA Landmarks) definiert (23,3 %), um schnell und direkt zu den gewünschten Inhalten zu gelangen. Aus der eigenen Erfahrung kann hinzugefügt werden, dass bei der Bedienung der Website mittels Tastatur durch Tab die Reihenfolge der fokussierten interaktiven Elemente (engl. Focus Order) nicht dem visuellen Layout entsprechen.

Ein horizontales Balkendiagramm mit dem Titel 'Webseiten mit den häufigsten WCAG-Fehlern', basierend auf dem WebAIM Million Report 2024. Es zeigt fünf Balken in verschiedenen Blautönen, die die prozentualen Anteile der häufigsten Zugänglichkeitsfehler darstellen. Von oben nach unten: 'Geringer Kontrast' mit über 80%, 'Fehlender Alt-Text' etwas über 40%, 'Fehlende Labels' knapp darunter, 'Leere Links' bei etwa 20%, und 'Leere Buttons' sowie 'Fehlende Sprache' unter 20%. Jeder Fehler wird durch ein entsprechendes Symbol unter dem Balken visualisiert.

Die Zukunft der digitalen Barrierefreiheit

Expert:innen und Befürwortende haben jahrzehntelang den Grundstein für die digitale Barrierefreiheit gelegt – haben sich zusammengetan, Standards wurden festgelegt, und die Nutzer:innen haben sich zu Wort gemeldet. Die Realität sieht anders aus. Viele Unternehmen schrecken vor dem Aufwand zurück, diese Standards einzuhalten. Dies ist jedoch eine verpasste Chance, um potenzielle Kund:innen zu erreichen. Denn barrierefreie Websites ermöglichen nicht nur den 7,8 Millionen Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung in Deutschland (Stand: Ende 2021 Statistisches Bundesamt) Zugang zu digitalen Informationen, sondern verbessern die Bedienbarkeit und Zufriedenheit aller Nutzer:innen.

Mit dem neuen Gesetz besteht nun die Chance, dass ein Mindestmaß an digitaler Barrierefreiheit endlich von einer Utopie zur Realität wird. In Verbindung mit neuen Möglichkeiten, die auch durch KI geschaffen wurden, kann es in Zukunft gelingen, dauerhaft und kontinuierlich allen Menschen zu ermöglichen, Websites zu bedienen. Accessibility bedeutet nicht nur Zugänglichkeit, sondern auch Inklusivität, denn jede:r sollte unabhängig davon, wie alt man ist, welche Sprache man spricht oder welches Gerät man verwendet, die gleichen Chancen haben, an digitale Informationen zu gelangen.

Was bedeutet das für uns und unsere Kund:innen?

Für uns als Agentur ist es das Wichtigste, dass wir uns damit bestmöglich auskennen und unsere Kund:innen beraten können. Und natürlich haben wir sowohl in der Gestaltung als auch in der Umsetzung die größten Hebel, um möglichst nah an das Ziel einer barrierefreien Website zu gelangen. Dafür bauen wir unser Know-How kontinuierlich auf und beraten dann unsere Kund:innen, um gemeinsam herauszufinden, welche Anforderungen zu ihrem Projekt passen.

Tl, DR

Unternehmen die Produkte, Dienstleistungen, Apps, Online-Shops, Webseiten, E-Books und digitale Dokumente für ihre Nutzer:innen bereitstellen, müssen bis Mitte 2025 ihre digitalen Angebote gemäß dem neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für alle Nutzer:innen zugänglich machen. Mit Fokus auf die häufigsten Zugänglichkeitsprobleme und Einhaltung der WCAG-Richtlinien können Unternehmen signifikante Verbesserungen erreichen. Barrierefreiheit verbessert die Nutzererfahrung für alle und sollte als Chance für Inklusivität und Erreichbarkeit eines breiteren Publikums gesehen werden.

 

Anmerkung:

Wir setzen uns mit dem Thema Barrierefreiheit und dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz auseinander und recherchieren unsere Erkenntnisse mit größter Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen. Unser Beitrag spiegelt den aktuellen Stand der Dinge wider, basierend auf offiziellen und hier aufgeführten Quellen. Dennoch ist zu beachten, dass sich gesetzliche Rahmenbedingungen und Standards weiterentwickeln können und wir trotz unserer Bemühungen um Vollständigkeit keine absolute Garantie für die lückenlose Aktualität und Vollständigkeit der Informationen übernehmen können.

Teilen

Cornelius Zysk, Digital Designer bei SCHUMACHER

Beitrag verfasst von

Cornelius Zysk
Digital Designer


Ähnliche Artikel

Gemeinsam Großartiges erreichen

Bild von Michael Schumacher

Michael Schumacher 06151 49300-31

Jetzt kostenlose Erstberatung vereinbaren!

30 Minuten
Gespräch

Vereinbaren Sie jetzt ein unverbindliches Erstgespräch, in dem wir gemeinsam herausfinden, welche die beste Lösung für Sie und Ihr Unternehmen ist – und, ob wir zusammen passen.

Erstgespräch vereinbaren

Oder kontaktieren Sie uns